Finanzielles Eigentor droht: Stadt verzichtet zur EM auf Public Viewing in eigener Regie

Doppelpass mit Gastro und Vereinen statt riskantes Dribbling


Es ist gerade mal einen Monat her, da lief vielen Fußballfans beim Gedanken an die Fußball-EM im eigenen Land kein wohliges Kribbeln, sondern allenfalls ein kalter Schauer über den Rücken. So niedergedrückt war die Stimmung, so gering die Erwartung an die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nach den Niederlagen gegen Österreich und die Türkei. Doch die Enttäuschung über diese beiden Pleiten ist von heute auf morgen verflogen. Euphorie macht sich breit nach den jüngsten Siegen gegen Frankreich und die Niederland. Mal ehrlich: Wer wenn nicht wir soll denn bitte sonst Europameister werden?

Schon werden von Fußball-Nostalgikern Erinnerungen an das Sommermärchen von 2006 heraufbeschworen, geben nicht wenige der 80-Millionen-Bundestrainer das Halbfinale als Minimal-Ziel aus. Mit der wachsenden Begeisterung im Land steigt natürlich auch wieder die Nachfrage nach Angeboten zum Rudelgucken, neudeutsch „Public Viewing“. Waren die heimischen Temperaturen bei der letzten Winter-WM und die Leistungen der deutschen Elf dazu angetan, den Spielen von zu Hause aus fröstelnd auf der Couch zu folgen, wird es einem Fan beim Blick auf die Heim-EM im Juni und Juli doch wieder warm ums Herz. Also nichts wie raus und mit anderen unter freiem Himmel Fußball gucken. Der Wunsch ist absolut nachvollziehbar, und die Verantwortlichen der Stadt Kronberg hätten ihn den Fans in der Burgstadt auch gerne erfüllt. Allein, nach intensivem Planen und vor allem auch Kalkulieren hat sich die Stadt dazu entschieden, auf dem Berliner Platz kein eigenes Public-Viewing-Angebot zu den Spielen der deutschen Elf zu installieren.

„Auch bei uns im Team der Stadtverwaltung sind viele Fußball-Fans, entsprechend schwer fiel uns die Entscheidung“, unterstreicht Kronbergs Bürgermeister Christoph König in einer Mitteilung. Am Ende

jedoch habe auch die schönste Nebensache dieser Welt ihren Preis. Und der sei im konkreten Fall schlicht zu hoch gewesen.

Das zeigten die Angebote, die Matthias Greilach, der Leiter des Kronberger Stadtmarketings, in den vergangenen Wochen eingeholt hat, überdeutlich. Allein für die erforderliche Anmietung einer Video-Wall für die Dauer des Turniers wären zwischen 25000 und 30000 Euro zu zahlen gewesen. Dazu kommen Security, Zäune, Lizenz-Gebühren und einiges mehr. „Da wären wir schnell bei einem Kostenaufwand im mittleren fünfstelligen Bereich gewesen“, konstatiert Greilach.

Zwar habe man auch mit Einnahmen durch den Verkauf von Tickets zu moderaten Preisen und Sponsoring kalkuliert. Die hätten aber auch bei regelmäßig ausverkaufter Arena und hochsommerlichen Temperaturen nicht annähernd ausgereicht, um die erwarteten Ausgaben zu rechtfertigen. Greilach: „Und wir reden hier immer vom besten Fall – also von sieben Spielen der deutschen Mannschaft bis zum Finale.“ Wie realistisch das ist? In Anbetracht der Wankelmütigkeit der Nagelsmann-Elf und des heimischen Sommers dürfte doch selbst der optimistischste Fan der Adlerträger bei dieser Frage die Stirn in Falten legen.

„So sehr wir der deutschen Mannschaft natürlich die Daumen drücken, dass sie möglichst weit kommt, so schwer wiegt der finanzielle Aufwand, den wir hätten betreiben müssen. Hier hat am Ende der Kopf das Fan-Herz überstimmt“, betont Rathauschef König. Sorgen, dass die Kronberger die EM jetzt allein im stillen Kämmerlein verfolgen müssen, macht er sich aber nicht. Im Gegenteil. Er ist sich sicher, dass heimische Gastronomen und Vereine die Fußball-Fans gerne zu sich einladen, um gemeinsam zu fiebern, zu jubeln und zu feiern.