Yuko Kuhn, 1983 in München geboren, hat Kulturwirtschaft in Passau und Aixen-Provence studiert. Über ihre Tätigkeit an der Hochschule für Fernsehen und Film in München fand sie den Weg zur Literatur und 2019 begann sie mit dem literarischen Schreiben. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in München. Ihre Lesereise führt sie derzeit durch Deutschland und an diesem Abend nach Kronberg.
Ein Roman wie ein Onigiri, außen schlicht, innen reich gefüllt
„Onigiri“, ihr Debüt, ist ein leiser, tief berührender Roman über eine komplexe Mutter-Tochter-Beziehung, über kulturelle Identität, Heimat und Demenz. Mit warmer, klarer Stimme las Yuko Kuhn aus ihrem autobiografisch inspirierten Werk.
Die Geschichte: Als Akis Großmutter stirbt, nimmt sie ihre an Demenz erkrankte Mutter Keiko mit auf eine letzte Reise nach Japan, zurück ins Haus ihrer Kindheit. Aki hofft, dass das vertraute Umfeld ihrer Mutter neue Kraft geben könnte. Was als familiärer Kraftakt beginnt, wird zu einer leisen, inneren Reise, zurück in die Erinnerungen, aber auch zu bislang unentdeckten Seiten der Mutter. In behutsamen Tönen schildert die Autorin, wie sich Aki auf Spurensuche begibt: Wer war Keiko, bevor sie als junge Frau nach Deutschland kam? War sie schon immer von Melancholie begleitet oder hat das Leben in einer fremden Kultur ihre Kraft aufgezehrt?
Yuko Kuhn macht kein Geheimnis daraus, dass der Roman stark persönlich inspiriert ist. Offen spricht sie über die Krankheit ihrer Mutter, über den Alltag, die kleinen Lichtblicke, wie gemeinsame Musikmomente, Spaziergänge oder das Spiel mit den Enkelkindern. Ihre Worte sind ehrlich, nie sentimental, aber stets berührend.
Die lebhafte Diskussion im Anschluss zeigte eindrucksvoll das große Interesse des Publikums am Buch. Fragen wie „Was war der Auslöser für diesen Roman?“, „Wie lange dauerte der Schreibprozess?“, „Wie viel Persönliches steckt darin?“, oder „Warum der Titel ‚Onigiri‘?“ beantwortete die Autorin offen und reflektiert.
Sie besuchte einen Kurs für Kreatives Schreiben bei Doris Dörrie, dort entschied sie sich, ein Buch über ihre Mutter zu schreiben, um ihr näherzukommen. „Der Text ist aus Neugierde und Liebe zu meiner Mutter entstanden, aus einer inneren Dringlichkeit sie mit ihrem Unglück aber auch ihrem Mut und ihrer Stärke zu verstehen.“
Das ist der Autorin auf eindrucksvolle Weise gelungen. Über einen Zeitraum von rund fünf Jahren schrieb sie an dem Roman, immer wieder unterbrochen von familiären Verpflichtungen und dem ganz normalen Alltag. Die Ich-Erzählerin Aki ist zwar eine literarische Figur, doch persönliche Erfahrungen der Autorin fließen spürbar in die Geschichte ein.
Bei „Onigiri“, so Kuhn, handele es sich um japanische, von Hand geformte Reisbällchen, die für sie als Symbol stehen für Heimat, für Fürsorge, für das, was bleibt, wenn Worte fehlen.
Auf die Frage der Büchereileiterin „Was würden Sie in ein Onigiri packen? Eine Zutat, ein Gefühl, eine Erinnerung“, antwortete Yuko Kuhn: „als Zutat: UMEBOSHI (eine eingelegte saure Pflaume), als Gefühl: Liebe, und als Erinnerung: die Erinnerung an meine Mutter wie sie neben ihrem Bruder am Esstisch ihres Elternhauses sitzt.“
Über das Cover des Buches wurde auch gesprochen. „Die Tuschemalerei auf dem Cover stammt von einem Freund von mir“, verriet die Autorin. Gemeinsam habe man es dem Verlag vorschlagen und nach einigen Schleifen auch den Zuschlag erhalten. Kuhn: „Für mich ist es genau so wie es aussehen soll.“
Ob bereits ein neues Buch geplant sei? Die Autorin verriet, dass sie gerne weiterschreiben möchte. Ideen gebe es, aber die Zeit sei leider knapp. Lesungen, Familie, ihr Mann, drei Kinder und die Mutter bräuchten sie. Zudem plant sie eine weitere Reise nach Japan, diesmal mit ihrem jüngsten Kind.
„Onigiri“ ist mehr als nur ein Debüt, es ist eine literarische Liebeserklärung an die Mutter, eine stille Suche nach Zugehörigkeit und Identität. Ein Buch, das man unbedingt lesen sollte, denn dieser Roman bietet viel Raum zum Nachdenken, für persönliche Deutungen und Erinnerungen – an Kindheitsmomente, das Verhältnis zur eigenen Mutter oder den Wert von Familienzusammenhalt.
Eingangs der Lesung in der Kronberger Stadtbücherei hatte deren Leiterin, Daniela Barbu, den Gästen einen kurzen Einblick in das Projekt „Leseland Hessen“ gegeben. Vor 23 Jahren ins Leben gerufen und in die Zeit der Frankfurter Buchmesse gelegt, ist „Leseland Hessen“ mittlerweile das größte Literaturfestival des Bundeslandes. In diesem Jahr sind 132 Autorinnen und Autoren in ganz Hessen unterwegs, um ihre Bücher zu präsentieren. Zwischen dem 2. September und dem 31. Oktober finden insgesamt 220 Lesungen in 60 hessischen Kommunen statt, darunter auch drei Veranstaltungen in Kronberg. Zwei davon richteten sich an Grundschulkinder: Am 25. September war der bekannte Kinderbuchautor Stefan Gemmel zu Gast, der rund 210 Kindern zwei seiner Bücher vorstellte. Mit viel Humor, Spannung gelang es ihm, die jungen Zuhörer von Anfang an zu fesseln. Die Kinder wurden aktiv ins Geschehen einbezogen, was die Lesungen zu einem besonderen Erlebnis machte und ihre Begeisterung für das Lesen nachhaltig förderte. Sowohl die Lehrkräfte als auch die Eltern zeigten sich begeistert von den Veranstaltungen.
Mit der Lesung von Yuko Kuhn verabschiedete sich die Veranstaltungsreihe „Leseland Hessen“ für dieses Jahr aus Kronberg.
Koordinator des Projektes ist das Hessische Literaturforum im Mousonturm Frankfurt, gefördert vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen sowie hr2-kultur.